Ich meine, in der Ferne einen Bass zu hören.

Wie gebannt beobachte ich, wie die metallenen Schuppen des Gepäckbandes an mir vorbeiziehen, sich an den Ecken zu einem Dreieck zusammendrängen und schließlich mit den einsamen Koffern, die noch ihre Runden drehen aus meinem Blickfeld entschwinden. Mein Rucksack müsste jeden Augenblick auftauchen. Neben mir wartet Yuanyuan schon mit ihrer Reisetasche in der Hand darauf, endlich den Flughafen verlassen zu können.

„Hey“, kommt es von der Seite.

Ich löse meinen angestrengten Blick von dem hypnotischen Gepäckband. Ein junger Mann etwa meiner Größe und mit lustlos gelocktem straßenköterblondem Haar lächelt uns entgegen.

„Are you guys going to Anjuna by any chance?“

Ich schüttele den Kopf.

„Ah, pity! I was looking for people to share a cab with.“, sagt der Mann. „I’m Joe, by the way. Where are you going?“

„Vagator“, antworte ich und ziehe mein Handy aus der Hosentasche, um nachzuschauen, wo nochmal Anjuna liegt: Anscheinend auf dem Weg.

Joes und mein Rucksack erreichen uns beinahe zeitgleich auf dem Gepäckband und entlarven uns beide gleichermaßen als Backpacker.

Die Fahrt wird schließlich sehr unterhaltsam, als Joe, seines Zeichens Brite auf Urlaubstour, Yuanyuan, meine Reisegefährtin, und ich anfangen über europäische und globale Politik zu fachsimpeln. Kurz bevor wir uns schließlich an unserem Hostel angekommen von ihm verabschieden, fällt Joe noch etwas ein:

„Hey, if you ever wanna go out together – I mean out-out – there is this party tonight apparently. The place is called Club Cubana.“

Draußen ist es schon dunkel. Ich nicke.

„We’ll think about it. It’s already getting late but maybe if we still have the energy…“

„Sure, yeah. Anyways, I would love it if you can make it.“

Wir checken in unser Hostel ein, duschen und gehen zum Abendessen in ein südindisches Restaurant nebenan. Während des Essens meint Yuanyuan „You know what? I think I could still go for a small party tonight.“

Ich horche in mich hinein und muss feststellen, dass auch ich mich ein bisschen über den Gedanken freue, den Abend nicht einfach so in der Stille ausklingen zu lassen.

„Ok, yeah. But let’s not put too much energy in it, if anything turns out to be too much of a hassle.“

Yuanyuan ist einverstanden und als wir uns eine knappe Stunde später poliert und gestriegelt auf den Weg machen, dauert es auch gar nicht lange, bis wir ein Taxi zum Club finden und uns für einen fairen Preis die zehn Minuten dorthin fahren lassen.

Der Fahrer lässt uns an einem Torbogen an einer Straßenecke aussteigen an, wo zwei in Orange gekleidete Männer mit „STAFF“ auf dem Rücken die Autos durchwinken. Auf einem kleinen Schild hinter dem Tor lesen wir „Club Cubana“, dahinter ein nach rechts in die Dunkelheit verschwindender Trampelpfad. Wir treten durch das Tor und einer der orange gekleideten Männer deutet vage in Richtung des Trampelpfads. Zögerlich folgen wir seiner ausgestreckten Hand.

Wir gehen etwa zweihundert Meter in leichter Ansteige als ein weiteres, besser beleuchtetes Tor vor uns auftaucht, erneut garniert und flankiert von orange gekleideten Wächtern, die uns durch und auf einen dahinterliegenden Parkplatz winken. Eine kleine Gruppe von Besuchern wartet dort schon. Unsicher gesellen wir uns dazu. Jenseits des Parkplatzes führt der Weg steil einen Hügel und in das dunkle Grün der Bäume hinauf. Ich meine in der Ferne einen Bass hören zu können.

Wir wollen gerade einen der Besucher ansprechen, als ein grüner Jeep die steile Stiege hinabgefahren kommt und rückwärts vor uns einparkt. Ein orangener Mitarbeiter eilt heran, öffnet die kniehohe Ladeklappe und bedeutet uns, aufzusteigen. Gemeinsam mit unseren anderen Kombattanten setzen wir uns auf den Pickup und der Jeep rollt los, den Hügel wieder hinauf. Höher und höher geht es und vorbei an all den von Laternen beleuchteten Bäumen bis das Fahrzeug schließlich vor einer Schlange von Menschen Halt macht. Wir stellen uns an, die Nachtluft in warmes, gelbes Licht getaucht und sind keine drei Minuten später an der Reihe, die frohe Botschaft zu empfangen und auch noch unsere letzten Sorgen auszutreiben: Fünf Euro Eintritt, Freigetränke die ganze Nacht!

Durch ein weiteres, kleineres Tor hinter der Zahlstelle geht es, eine enge Kurve, ein paar Treppenstufen hinauf – und unsere Kinnladen klappen zu Boden. Die erste Terrasse ist ein großer Pool, ein Aussichtspunkt mit Sofas und Diven und ein Steinofen, aus dem Mitarbeiter eine Pizza nach der anderen ziehen. Die zweite ist eine Freiluft-Tanzfläche, die DJane hinter einem bambusgeflochtenem Pult trägt lustige Schleifen im Haar und ringsherum sind steinerne runde Sitzecken wie trockene Jacuzzis in den Boden eingelassen. Die dritte Terrasse ist eine einzige große Open-Air Bar mit einem langen Tresen, vielen kleinen Tischen und einigen Sofaecken. Dahinter geht es in ein zweistöckiges Haus kolonialen Stils aus dem es erneut und chartslastig wummert. Die vierte…

Als Yuanyuan und ich wieder aus unserer Trance erwachen, steht ein pitschnasser Joe breit grinsend vor uns.

„There you are!“

Yep, there we were.

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1 thought on “Ich meine, in der Ferne einen Bass zu hören.

  1. Lieber matthes, da warst du wohl im wunderland! Gut , dass du mit deiner partnerin partnerin wieder wach geworden bist. Hier ist es dagegen langweilig. Aber heute gehen wir mal ins kino. Paula moderson, eine geschichte aus worpswede, dem künstlerdorf nähe bremen. Alles gute und liebe grüße dein opa

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